Hast du Osamu Dazai gelesen?

Um mit einem vielleicht nicht ganz passenden Vergleich zu beginnen: Osamu Dazai (1909-1948, eigentlicher Name: Shuji Tsushima) war der Albert Camus Japans. Einer der großen Unglücklichen der Weltliteratur. Vielleicht ist sein Einfluss auf die Popkultur Japans und auf die Jugend ähnlich dem Hermann Hesses in früheren Jahren oder Franz Kafkas hierzulande einzuschätzen. Weiterlesen »

Einem geschenkten Gaul schaut man ins Maul.

In meiner Familie kursiert eine Anekdote (eine von vielen, die Ehgartners sind bekannt für das Hervorholen peinlicher Episoden bei Familientreffen): Einmal habe ich einem Schulkollegen die Frage gestellt, wann er denn eigentlich Geburtstag hätte. Die Frage hab ich aber nur gestellt, um auf seine Gegenfrage nach meinem Geburtstag sagen zu können: „Ich hab heute!“.Weiterlesen »

Jonathan Carroll – Bathing the Lion

Auf Jonathan Carroll wurde ich Mitte der Achtziger Jahre aufmerksam, als in der Phantastischen Bibliothek Suhrkamp sein erster Roman „The Land of Laughs“ auf deutsch erschien. Herausgeber Franz Rottensteiner machte ganz selten etwas falsch in seiner Titelauswahl für die wohl beste Reihe phantastischer Literatur, die es je gab, und „Das Land des Lachens“ war keine Ausnahme. Was für ein großartiger, überraschender, unterhaltsamer Roman das doch wahr, mit einem phänomenalen Ende, eine Lesefreude von der ersten bis zur letzten Seite. Auch die darauffolgenden Bücher Carrolls enttäuschten nicht, unter ihnen so wunderbare Titel wie „Outside the Dog Museum“ oder „Sleeping in Flame“, ein sensationelles Buch mit einem zugegeben saublöden Ende. Ein nettes Detail für Leser aus Österreich ist übrigens, dass fast all seine Romane (zumindest teilweise) in Wien spielen, wo Carroll auch heute noch lebt und arbeitet. Sein Halbbruder ist der Komponist Steve Reich, aber das tut hier nichts zur Sache.Weiterlesen »

Die Nöstlinger, Teil II – speziell speziell.

Von Nöstlingers bisher ca. 150 Werken habe ich 101 gelesen, ich hab sie gezählt. (Mir fehlt übrigens noch „Der liebe Herr Teufel“, ein Buch, das mir meine zeitweise sehr gottesfürchtige Oma aus moralischen Gründen nicht kaufen wollte … Ich bekam dann, glaub ich, das Tagebuch der Anne Frank), das meiste davon als Kind. Es ist mir praktisch unmöglich, eine objektive Wertung über diese Werke abzugeben, da ich fast jedes einzelne von ihnen liebe. Christine Nöstlingers spezieller Stil und ihr anfangs oftmals kritisierter wienerisch-lustvoller Sprachduktus zieht sich durch Bücher, egal ob sie über fiktive Romanfiguren schreibt, die wie 7, 17 oder 67 Jahre alt sind, oder ob sie über sich selbst schreibt.Weiterlesen »

Die Nöstlinger – nicht speziell kinderlieb.

Endlich ist es soweit und ich kann meine Gedanken zu einer Dame sammeln, die sowohl die gesamte (nicht nur) österreichische Kinderliteratur als auch meine ganz persönlichen Leseerlebnisse prägt wie keine andere. Christine Nöstlinger ist ohne Frage eine der ganz Großen und in Interviews zeigt sich ihr äußerst herber Charme, wenn sie etwa ihre unaufgeregte Haltung gegenüber Kindern beschreibt: „Kinderlieb bin ich nicht speziell.“ (Ganz nebenbei: Ein Leckerbissen für Verehrer der Nöstlinger ist der Besuch in der österreichischen Talkshow „Willkommen Österreich“, auch wenn die beiden sie fast zur Weißglut treiben …)

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Sarah Khan – Die Gespenster von Berlin.

Es frustriert mich furchtbar, dass es im deutschen Sprachraum keine lässige Gespenster-Kultur gibt, und auch keine Bücher darüber. Dabei ist unsere Geschichte ja reichhaltigst mit urbanen Legenden gesegnet, bloß wird darüber noch heute hauptsächlich hinter vorgehaltener Hand geredet. In Amerika, da ist das ganz anders: Unzählige Geisterjäger oder gleich ganze Teams forschen da in alten Gemäuern nach der Existenz des Andersweltlichen, schreiben erfolgreiche Bücher und haben ihre eigenen Fernsehshows. Und die Engländer, denen geht es da sowieso bestens, bei denen hat jedes Herrenhaus quasi seinen Privatgeist.Weiterlesen »

Psychische Krankheiten und andere guilty pleasures.

Am Beginn meiner Volksschulzeit las ich Tag und Nacht. Ich besaß immer mehr Bücher und schon bald musste mein Vater (mit zwei Nägeln im Mund fluchend, akustisch sehr interessant: „Krrrrzzzzfxxxx“) neue Regale aufbauen. Mein Kinderzimmer platzte aus allen Nähten und langsam wurde meine Leidenschaft teuer. Es musste also einen anderen Weg geben.Weiterlesen »

Michel Houellebecq – Unterwerfung.

Wir leben in einer Gesellschaft, die sich gerne aufregt. Das Empören über so ziemlich alles gehört heute zum guten Ton. Ein Autor, über den man sich von Anfang an gerne geärgert hat, ist Michel Houellebecq. Der 1958 geborene Franzose, der in frühen Jahren einen Essay über H.P. Lovecraft geschrieben hat, traf gleich mit seinem ersten Roman „Ausweitung der Kampfzone“ den Nerv der Empörungsgesellschaft. In einer Szene darin stiftet der Protagonist seinen Kollegen zu einem Sexualmord an. Mehr hat es nicht gebraucht, um Houellebecq für immer ein Schild mit dem Titel „Skandalautor“ umzuhängen.Weiterlesen »

Elizabeth Hand – Generation Loss.

Mich interessiert das ja total, was aus so legendären Subkulturen eigentlich wird, nachdem sie untergegangen sind. Zum Beispiel die Hippies von einst, die dann zu dickbäuchigen, eiskalten und frustrierten Kapitalisten mutierten. Oder die Rock’n Roller, die heute in ihrer alkoholgetränkten Pension alten, längst funktionsuntüchtigen Musikboxen in versifften Gaststätten nachweinen und von niemand mehr verstanden werden. Oder: Die 1977er-Generation, was wurde eigentlich aus der?Weiterlesen »

Batterien.

In meiner Kindheit waren Batterien für mich das höchste Gut. Batterien und Isolierband. Konnte ich mir das Isolierband von den 20 Schilling Taschengeld die Woche gut leisten, so wurde es mit dem etwa alle 14 Tage fälligen 4er-Pack AA-Batterien schon ein wenig kniffliger. Aber nichts ging damals über das Gefühl von frischen Batterien in meiner kleinen, gelben Taschenlampe. Solange die Batterien noch voll waren, sorgte der helle Schein im Bett für einige Stunden des Lesevergnügens noch lange nach der Schlafenszeit und das Isolierband wiederum dafür, dass mein Schlüsselloch keinen Schimmer Licht nach draußen ließ, der meine Mutter, die sich auf Zehenspitzen anschlich, um zu kontrollieren, ob ich eh schlafe, erahnen hätte lassen, dass ich die Nachtstunden für die Welt der Bücher opferte. Der immer schwächer werdende Lichtkegel bei sich entleerenden Batterien wurde von mir bis zum letzten Aufflackern meiner Funzel ausgenutzt und ist heute wahrscheinlich mit verantwortlich dafür, dass ich eine Brille trage. Aber ich musste mir meine Batterien selber kaufen, meine Eltern durften ja nichts davon erfahren, dass mein Tiger-Wecker mit Ohren oft schon weit nach Mitternacht anzeigte, wenn ich endlich das Buch weglegte. Tatsächlich habe ich manchmal sogar nur einige Stunden geschlafen, um um vier Uhr morgens mein Buch aufzuschlagen, wenn niemand mehr wach war und mich stören konnte.Weiterlesen »